30.11.2020 - ATOMKRAFT
BUND lehnt mit Atomstrom erzeugten Wasserstoff ab
Die deutsche EU-Ratspraesidentschaft will den Weg fuer Wasserstoff aus Atomstrom frei machen
Klaus Oberzig
 | | Mit Atomstrom erzeugter Wasserstoff
könnte zum Revival der Kernkraft führen
Bild: Scienzz
| | |
Der Aufbau einer angeblich grünen und nachhaltigen
Wasserstoffwirtschaft drohe bereits im Ansatz zu scheitern, kritisierte der
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) am 27. November 2020. Ein endgültiger
Beschluss über den nuklearen Wasserstoff soll im Rahmen der Sitzung der
EU-Energieminister am Montag, den 14. Dezember 2020, fallen. Deutschland sei
aus gutem Grund aus der Atomenergie ausgestiegen, meint dazu Verena Graichen,
stellvertretende Vorsitzende des BUND. Diese Energiequelle sei weder sicher
noch nachhaltig, sondern gefährlich, gesundheits- und umweltschädlich. Der
Uran-Raubbau kontaminiere großflächig Menschen und Natur. Sie lehne die atomare
Wasserstoffstrategie ab. "Deutschland muss seinen zukünftigen
Wasserstoffbedarf reduzieren, anstatt damit Atomkraft und Erdgas durch die
Hintertür zu fördern."
Mit dem Vorstoß der Bundesregierung anlässlich der deutschen
Ratspräsidentschaft wird deutlich, was es mit der in den letzten Monaten so
lautstark propagierten "grünen und nachhaltigen
Wasserstoffwirtschaft" auf sich hat. Sie ist die Fassade, hinter der sich
eine Großtechnologie versteckt, die mit einer dezentralen und bürgernahen
Energiewende nichts zu tun hat. Mit der EU-Förderung von nuklearem Wasserstoff
ist ein wichtiger, wenn nicht gar der wichtigste Bestandteil dieses
scheinheilig vorgetragenen „grünen" Konzeptes offengelegt. Bereits in die
EU-Wasserstoffstrategie war fossiler Wasserstoff, der aus importiertem Erdgas
gewonnen werden soll, einbezogen worden. Aber auch dieser sogenannte blaue
Wasserstoff muss wohl als ein Zwischenschritt angesehen werden, bis die
Atomkraftwerke der 4. Generation, wie sie vom supranationalen Konglomerat
"Breakthrough Energy" angekündigt und finanziert werden, zur
Verfügung stehen.
"Breakthrough Energy" ist eine von Bill Gates
gegründete Organisation, der einige der wichtigsten westlichen Oligarchen
angehören, wie George Soros, Mark Zuckerberg (Facebook) und Jeff Bezos
(Amazon). Vor diesem Hintergrund wird die Logik des auch von der
Bundesregierung eingeschlagenen Weges besser verständlich. Wenn Wind- und
Solarstrom im Verbund mit der 4. Generation neuer AKWs in einem zukünftigen
Energiesystem weltweit verheiratet würden, könnten sowohl die neue
US-Regierung, deren zukünftiger Präsident diese Pläne unterstützt, wie auch alle anderen, westlich ausgerichteten Regierung sie als den großen Wurf im
Kampf gegen die Klimakrise verkaufen. Es ließe sich zudem eine weitere
Frontlinie gegen die Ostseepipelines mit russischem Erdgas für Westeuropa
eröffnen. So könnten Kritiker der globalen Klima- und Umweltzerstörung ruhig
gestellt und wirksam darauf hingewiesen werden, in welchen großen und grünen
Linien die Energieversorgung in einer neuen Oligarchen-Weltordnung angelegt
sein würde. Ganz nach dem Motto, „schaut her, wir tun was".
Diese neue Strategie, deren Kern in der Öffentlichkeit bislang nicht
thematisiert wurde, hat allerdings mehr als einen Pferdefuß. Zum einen ist die
behauptete große Sicherheit der neuen Atomkraftwerke erst einmal nur ein
Versprechen von interessierter Seite. Ob sie stimmt, würde sich wohl erst nach einer Bauentscheidung zugunsten der 4. Generation von Atomkraftwerken herausstellen. Die Erfahrungen, welche die Menschheit mit der Atomenergie gemacht hat, lassen keine anderen Schlüsse zu. Desweiteren muss das neue Narrativ vom Verbund der Erneuerbaren mit der Atomenergie von Anfang an mit spitzen Fingern angefasst werden. Beide Technologien sind bittere Konkurrenten und stehen jeweils für Vergangenheit und Zukunft. Daran hat sich bis heute nichts geändert.
Die Charmeoffensive von der neuen Liebe zwischen Solar, Wind und Atom
ist ein geschickter Propagandatrick, um die Atomenergie aus der verstrahlten Schmuddelecke
heraus zu holen. Zugleich soll sie auch die Wasserstofftechnologie, die trotz
großer Sprüche von Politikern wie Peter Altmaier keine wirtschaftlichen
Vorteile aufzuweisen hat, mit dem bislang vermissten Glanz versehen.
Wasserstoff herzustellen erfordert eine zusätzliche Transformationsstufe, egal
mit welchem Strom es erzeugt wird. Das wird ökonomisch betrachtet immer der
Nachteil gegenüber der Primärenergie Wind und Solar sein und bleiben. Mit
großtechnischen Anlagen wollen die alten Energiepolitiker das konterkarieren und sich neue, profitable Kapitalanlagemöglichkeiten erschaffen.
Das nennt man politische Ökonomie. Wie diese funktioniert, lässt sich seit über
200 Jahren Kapitalismus verfolgen.
Sollten sich die AKW der 4. Generation durchsetzen, wäre es schnell mit
der Liebe zwischen Atom und Erneuerbaren vorbei. Dann würde wieder erbitterter „Wettbewerb" einziehen. Wie wenig das aus der Luft gegriffen ist, belegt eine vom
Bundeswirtschaftsministerium in der vergangenen Woche vorgelegte Ergänzung zur
EEG-Novelle 2021, die für grünen Wasserstoff zwar eine EEG-Umlagebefreiung bis 2030 vorsieht, aber nur für PPA-Anlagen - also solche
mit Stromabnahmeverträgen statt EEG-Vergütung. Für viele EE-Anlagenbetreiber
aus der mittelständischen Bürgerenergie ist das ein knallherter Ausschluss. Die
Liebe zwischen Atom und Erneuerbaren schließt offenbar die dezentralen, kleinen
Anlagen der Bürgerenergie nicht mit ein. Wer nach der nationalen Wasserstoffstrategie der
Bundesregierung ruft, macht sich zum Wegbereiter neuer Atomkraftwerke.
Mehr im Internet: BUND lehnt atomare Wasserstroffstrategie der deutschen EU-Ratspräsidentschaft ab
Kernkraft ahoi, scienzz 20.11.2020
Verordnungsermächtigung für grünen Wasserstoff,
PV-Magazin 26.11.2020
|