08.12.2020 - EU-AGRARPOLITIK
Verbessern, nicht abschaffen
Nachverhandlungen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) sollten die schlimmsten Fehler ausmerzen
Klaus Oberzig
 | | Bislang zielte die GAP auf Steigerung der Produktivität
durch Einsatz technischer Produktionsfaktoren
Bild: Hinrich/Wikipedia
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Die
vierzig Wissenschaftler aus 13 Ländern zeigen in einer heute erschienenen
Studie, wie die aktuelle GAP-Reform gerettet und stärker auf Umwelt-, Klima-
und Artenschutz ausgerichtet werden könnte. Der vorliegende Entwurf wurde 2018
erarbeitet und gilt für die Förderperiode der Jahre 2021 bis 2027. Allerdings
hatten der EU-Rat und das
EU-Parlament im Oktober 2020 Änderungen des Gesetzestexts vorgeschlagen, die
den umweltpolitischen Ambitionen zuwiderlaufen und die Wirkung aller
umweltpolitischen Instrumente schwächen würden.
Der EU-Agrarhaushalt ist der größte Einzelposten des Gesamthaushalts. In den
Jahren 2021 bis 2027 sind Aufgaben für die GAP von insgesamt von 357,3
Mrd. EUR vorgesehen, davon 270 Mrd. EUR (76%) für die Direktzahlungen
und die Marktstützungen. Für die Programme zur ländlichen Entwicklung (ELER)
sind in der kommenden Finanzierungsperiode nur 87,2 Mrd. Euro vorgesehen, was
im Gegensatz zu einer grüneren und gerechteren GAP steht, die ländliche Gebiete
unterstützt.
Das System der GAP beruht auf zwei Säulen: Die erste Säule bilden die Direktzahlungen an die Landwirte, die je
Hektar landwirtschaftlicher Fläche gewährt werden. Die zweite Säule umfasst gezielte Förderprogramme für die nachhaltige und umweltschonende
Bewirtschaftung und die ländliche
Entwicklung.
Die Wissenschaftler plädieren nun für die Beibehaltung möglichst vieler
Umwelt-Vorgaben der GAP. So sollten mindestens 10% der Agrarflächen für
nichtproduktive Zwecke vorgesehen werden. Die Eco-Schemes (Ökoregeln) in der 1.
Säule sollten aus ökologisch tatsächlich wirksamen Maßnahmen bestehen und mit
30% der Mittel ausgestattet werden. Sie wenden sich dagegen, die
Ausgleichszulage für benachteiligte Gebiete (ANC) als "grün" zu
vereinnamen.
Die Beibehaltung einer GAP mit ihrer
jetzigen Orientierung auf Betriebe mit großen Flächen und
Intensivlandwirtschaft gefährde die mittelständische Landwirtschaft und helfe
den Landwirten nicht dabei, Praktiken einzuführen, die Klimarisiken und
Umweltbelastungen mindern würden. Sebastian Lakner, Agrarökonom der Universität
Rostock, sagt dazu: „Die aktuellen
Beschlüsse von Rat und Parlament schwächen die funktionierenden
Agrarumweltprogramme finanziell. Für die landwirtschaftlichen Betriebe ist dies
nicht von Vorteil, weil vom Status Quo ohnehin hauptsächlich wenige
Landeigentümer profitieren und diese Reform keine Planungssicherheit liefert."
Die Notwendigkeit solcher Maßnahmen ist seit langem bekannt. Die intensive
Landwirtschaft ist die wichtigste Ursache für das Artensterben und die
Verschlechterung der Böden, wie Gregor Hagedorn, Biodiversitätsspezialist,
erläutert: „Die Landwirte sind auf natürliche Ressourcen wie Boden, Wasser und
Bestäuber angewiesen und können ohne diese nicht produzieren. Insbesondere
angesichts der Umweltveränderungen muss die GAP den Landwirten helfen und sie
dabei unterstützen, ihre Böden zu ihrem eigenen Wohl zu schützen, was allen zu
Gute kommt."
Mehr im Internet: Der vollständige Text der Wissenschaftlergruppe: Pe'er, Guy et al.
(2020): "The EU's Common Agriculture Policy and Sustainable Farming: A
statement by scientists", Leipzig
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