21.12.2020 - ERNEUERBARE ENERGIEN
Am Ende saeuft man sich die Braut schoen
Das Beste an der EEG-Novellierung: sie kann von Illusionen befreien
Christfried Lenz
 | | Das EEG 2021 versucht die Photovoltaik auszuschal-
ten, aber die Regierung wird nicht als Feind der, son-
dern als uninformiert missverstanden - Bild: scienzz
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Die altbewährte Strategie der Bundesregierungen zur
Verschlechterung der Rahmenbedingungen für die erneuerbaren Energien
funktioniert weiterhin zuverlässig: Man bringe zunächst extrem krasse Absichten
an die Öffentlichkeit. Damit erhalten die Energiewende-Akteure Stoff zum
Sich-daran-Abarbeiten. Sie schreiben Briefe und Stellungnahmen, bringen Studien
heraus, organisieren Demonstrationen im ganzen Land - und siehe da: sie
erreichen etwas! Dafür sollen drei Beispiele aus dem Ablauf der Novellierung des EEG 2021 stehen:
-
Im Fall negativer Strompreise wird die Einspeisevergütung für
verpflichtete Direktvermarkter nicht - wie zunächst vorgesehen - ab der 1. Stunde gestoppt, sondern erst ab
der 4.
- Die zunächst vorgesehene Absenkung der Ausschreibungspflicht für
Dachanlagen von bisher 750 KWp auf 300 KWp, verbunden mit dem Verbot jeglicher
Eigennutzung des Stroms, entfällt.
- Die Untergrenze für die Belastung des Eigenverbrauchs mit der
EEG-Umlage („Sonnensteuer") wird nicht nur auf Anlagen von 20 KWp, sondern auf
Anlagen von 30 KWp angehoben.
Allerdings:
Im 1. Fall handelt es sich dennoch um eine deutliche
Verschlechterung, denn bisher erfolgte der Vergütungsstopp ab der 6. Stunde.
Fall 2: Wer die unterhalb von 750 KWp bestehende Befreiung vom
Ausschreibungszwang nutzen möchte, erhält nur für maximal 50% des von ihm
erzeugten und eingespeisten Stroms eine Vergütung, auch wenn sein
Eigenverbrauch geringer als 50% ist. Obendrein gibt es eine
Vergütungsobergrenze bei 30 MWh pro Jahr.
Fall 3 ist kein „Verhandlungserfolg", denn die 30 KWp sind
europarechtlich als nur in begründeten Ausnahmefällen gerade noch tolerierbare
Untergrenze sowieso zwingend vorgeschrieben. Grundsätzlich darf laut
Europarecht der Eigenverbrauch überhaupt nicht mit Abgaben belastet werden,
unabhängig von der Anlagengröße.
Man fühlt sich an den Basar erinnert: Der Verkäufer fordert 200 Euro. Man
einigt sich auf 100. Der Käufer freut sich, den Preis auf die Hälfte gedrückt
zu haben. Der Verkäufer reibt sich die Hände, denn auch mit 50 Euro hätte er
noch Profit gemacht.
Die Situation auf dem Energiemarkt ist allerdings vertrackter. Die
Bundesregierung will die erneuerbaren Energien - und insbesondere die Bürgerenergie -
ausbremsen. Um dem etwas entgegen zu setzen, müssen die Akteure der Erneuerbaren
möglichst viele Menschen zu Aktivitäten mobilisieren, zu
Unterschriftensammlungen und sonstigen Aktionen.
Nun liegt das Ergebnis der Bemühungen vor. Es ist mager. Eine leichte
Verbesserung beim Mieterstrom. Die EU-Richtlinie wurde (abgesehen von der besagten
Einschränkung der Sonnensteuer) ausgeblendet. Von ihrem Geist, der im
Positionspapier des BBEn folgendermaßen beschrieben wird „Das ‚Clean Energy
for all Europeans Package' läutet ein neues Zeitalter für ganz Europa ein - ein
Zeitalter, in dem Bürgerinnen und Bürger das Recht bekommen, sich individuell
oder gemeinschaftlich mit eigenem grünen Strom zu versorgen." findet sich
in der EEG-Novelle kein Hauch.
Spätestens bis zum 30. Juni 2021 muss die EU-Richtlinie in deutsches Recht
umgesetzt werden. Doch dafür nimmt sich die Regierung auch jetzt noch Zeit. -
Wie war das bei den LNG-Anlandehäfen? Damit deren Bau- und Betriebskosten auf
die Verbraucher umgelegt werden können, musste ein ganzes Bündel von Gesetzen
geändert werden. Das ging durch den Bundestag wie ein Fingerschnippen.
Die Aktivisten, die für ein fortschrittliches EEG gekämpft haben, stehen nun
vor einem Problem. Sollen sie den Menschen, die sie mobilisiert haben, sagen:
„Sorry, viel erreicht haben wir nicht", oder sollen sie die Abmilderung
ursprünglich angekündigter Verschlechterungen als Erfolg feiern? - Mit ersterem
würden sie einer Resignation Vorschub leisten, mit dem zweiten die Lage
beschönigen.
Beides ist nicht zu empfehlen. Wir können aber aus der Erfahrung lernen und
Konsequenzen ziehen: Bei der Energiewende haben wir es mit einem knallharten
Interessenkonflikt zu tun. Die erneuerbaren Energien sind ihrem Wesen nach
dezentral und kleinteilig. Das ist Betätigungsfeld für Mittelstand und
Millionen Bürger, nicht für Großkonzerne. Letztere können offshore etwas
beitragen, am ersten Pult in einer erneuerbaren Gesamtstruktur sitzen sie aber
nicht.
Die Regierung ist Interessenwalter der konventionellen Konzerne. Ihnen will sie
Geschäftsfelder so lange erhalten, wie irgend möglich. Für dieses Ziel agiert
sie entschlossen und erfolgreich. Wirtschaftsminister Altmaier bereiste den
Mittelmeerraum, um Weichen so zu stellen, dass die dort entdeckten
Erdgasvorkommen zusätzlich zu all den übrigen Gasquellen Deutschland und Europa
zu Billigpreisen fluten, so dass niemand mehr auf die Idee kommen soll, die
durch Atom- und Kohleausstieg entstehende Stromlücke mit erneuerbaren Energien
zu füllen
(https://www.pv-magazine.de/2019/10/11/dialogprozess-gas-2030-erdgas-als-daumenschraube-fuer-die-erneuerbaren/).
- Eine Regierung, die derartige Pläne verfolgt, kann kein Gesetz zulassen, das
den Erneuerbaren Tür und Tor öffnet!
Die Regierung ist - gemeinsam mit den Konzernen - an Klimaschutz und
Energiewende nicht interessiert. Nur weil die große Mehrheit der Bevölkerung
Beides will, muss sie so tun als ob und laviert dabei sehr gekonnt. Ihr Handeln
ist also nicht „viel zu verzagt"
(Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des BSW-Solar. ), auch keine „Geschichte
der verpassten Chancen", wie Grünen-Politiker Jens Kerstan meint. Wer so etwas
sagt, hat die Intentionen der Regierung nicht erkannt.
Ist die Regierung unser - halt etwas dümmlicher - Freund oder raffiniert
handelnder Gegner? Wenn sich die Energiewende-Bewegung über diese Frage
Klarheit verschaffen und sich von Illusionen befreien würde, hätte die
EEG-Novellierung etwas für den weiteren Kampf für Klimaschutz und Energiewende
Wichtiges bewirkt.
Mehr im Internet:
Restauration und Rueckkehr zur Konzernallmacht
E-Busse immer noch ausgebremst
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