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31.12.2020 - VERFASSUNGSBESCHWERDE
Endlich traut sich einer aus der Deckung
Ein deutscher Richter ruegt per Verfassungsbeschwerde das Handeln von Bundes- und Landesregierungen
Klaus Oberzig
 | | Jetzt kommen die Lockdown-Entscheidungen
Merkels vor das Bundesverfassungsgericht.
Bild: Rainer Lück/Wikipedia
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Die bisher einmalige Verfassungsbeschwerde wird mit einem Zitat des Ex-Präsidenten
des Bundesverfassungsgerichts Hans-Jürgen Papier eingeleitet: "Nicht die
Lockerungen sind angesichts der Grundrechte rechtfertigungsbedürftig, sondern
die Aufrechterhaltung der Maßnahmen."
Auf 190 Seiten, so 2020news.de, rüge der Richter die Verletzung der
allgemeinen Handlungsfreiheit, des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, des
Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, des Rechts auf Leben und
körperliche Unversehrtheit, der Freiheit der Person, des Schutzes der Familie
sowie der Menschenwürde. Ohne persönlich davon betroffen zu sein, rüge er zudem
die Verletzung der Religionsfreiheit, der Kunstfreiheit, der
Versammlungsfreiheit, der Freizügigkeit, der Berufsfreiheit, der
Unverletzlichkeit der Wohnung, der Eigentumsfreiheit und des Rechts auf Asyl. Im Hinblick auf die zu erwartenden wirtschaftlichen Verwerfungen durch die
Lockdown-Politik der Regierung wie auch das ungezügelte Schuldenmachen wirft er
auch das Thema Verletzung der Eigentumsfreiheit aus Art. 14 Abs. 1 GG wegen drohender
Steuererhöhungen, Vermögensabgaben sowie drohender Enteignungen etc. zur
Finanzierung der Krise, auf.
Auch wenn das Ziel der Maßnahmen der Schutz des Lebens und der körperlichen
Unversehrtheit der Bevölkerung gewesen sei, habe sich die Regierung nach
anfänglicher Überschätzung der Gefahren durch das Virus, bis heute nicht dazu
bewegen lassen, neue wissenschaftliche Erkenntnisse für ihr Handeln zu
berücksichtigen. So betrage die Fallsterblichkeitsrate lediglich etwa ein
Sechsundzwanzigstel des ursprünglich angenommenen Wertes. Die Schärfe der
Maßnahmen hätte daher korrigiert werden müssen. Zudem seien die Parlamente
nicht in der durch die Verfassung vorgegebenen Form beteiligt worden.
Stattdessen sei der Parlamentsvorbehalt umgangen worden. Es habe sich „ein
Regieren durch umfangreiche und tief in Grundrechte eingreifende Verordnungen
durch die Exekutive etabliert, welches droht, sich zu verselbständigen", rügt
der Beschwerdeführer.
Gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz werde bis heute massiv verstoßen und in
eine Vielzahl von Grundrechten ungerechtfertigt eingegriffen. Ein
differenzierteres Vorgehen wäre angesichts des „Zugewinns wissenschaftlicher
Einschätzungen" möglich gewesen, ohne einen hinreichenden Schutz der
Bevölkerung zu vernachlässigen und ohne die demokratischen Freiheiten anzugreifen.
Stattdessen haben Bund und Länder, wie im übrigen viele andere Regierungen
auch, am einmal eingeschlagenen Kurs festgehalten und neue Erkenntnisse
ignoriert. Bis heute werde an der Hoffnung festgehalten, die Impfung werde
alles richten. Dabei werde verkannt, dass die im „Schnellverfahren entwickelten
Impfungen selbst ein nicht zu unterschätzendes Gefahrenpotenzial bergen, zumal
mit der mRNA-Impfung ein völlig neuer Impfstofftyp eingeführt werden soll",
dessen Gefahren und Langzeitfolgen nicht wirklich absehbar seien.
Der beschwerdeführende Richter betont seine Ansicht, dass das „angstgetriebene
Handeln der Gesetz- und Verordnungsgeber durch ein besonnenes, tatsachen- und
evidenzbasiertes Gestalten" ersetzt werden müsste. Statt der einfallslosen
Methode des zyklischen „Draufhauens auf alles und alle" (hammer and dance), bei
der es nur die Abwechslung zwischen „Lockdown light" und „Lockdown hart" gebe,
sollten durch ein differenziertes Vorgehen die vulnerablen Gruppen wirkungsvoll
geschützt und zugleich die grundgesetzlich verbrieften Freiheiten wiedergewährt
werden."
Gerade so, als ob er sich der Reaktion seiner Standeskollegen nicht ganz
sicher sei, bittet er die Adressaten im Bundesverfassungsgericht, seine
Verfassungsbeschwerde „unvoreingenommen anzunehmen und sich auf meine
Ausführungen einzulassen". Er sei sich bewusst, dass anerkannte hochrangige Wissenschaftler, die eine
andere Auffassung als die Exekutive vertreten, kaum noch Gehör fänden.
Teilweise würden sie sogar als „Verschwörungstheoretiker" diskreditiert.
Stattdessen fände Zensur statt, die sich allerdings in privaten Medien ereigne,
ohne dass die Regierungen dagegen einschreiten würden. „Diese Verengung des
Debattenraumes kann fatal sein bei der Suche nach der besten Strategie zur
Bewältigung der Krise", so der Richter.
Bereits jetzt sei eine Klageflut in Richtung des Bundesverfassungsgerichts
ankündigt. Das Gericht werde sich ohnehin in absehbarer Zeit mit nahezu
sämtlichen hier aufgeworfenen Fragen auseinander zu setzen haben. Die
Nichtannahme zur Entscheidung nach § 93a BVerfGG werde zwar in vielen, aber
nicht in allen Fällen möglich sein, so seine Einschätzung. „Warum also nicht
dieses Verfahren als „Blaupause" nutzen, zumal die schnelle Beschäftigung
hiermit womöglich dazu beiträgt, den bereits in diesen Tagen drohenden
erheblichen Schaden von den Menschen in unserem Land abzuwenden?"
Es wäre für den Rechtsstaat fatal, wenn sich in zwei oder drei Jahren
herausstellen würde, dass die einschneidenden Maßnahmen, welche aktuell zu einer
Veränderung der Gesellschaft führen, gar nicht erforderlich gewesen wären. „Auch
das Bundesverfassungsgericht als höchste und kontrollierende Instanz wäre
beschädigt - zumal bereits diese Verfassungsbeschwerde unter medialer
Beobachtung steht."
Mehr im Internet:
Text der Verfassungsbeschwerde
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