03.01.2021 - MENSCHENRECHTE
Unheilige Inquisition
Von begnadigten Kriegsverbrechern und gefolterten Whistleblowern
Jens Walter
 | | Reformator Jan Hus auf dem Scheiterhaufen,
Spiezer Chronik (1485), Wikipedia
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Ihr Name ist Chelsea Manning. Sie ist amerikanische Soldatin und hat
mehrere Hunderttausend Geheimdokumente über die Kriege im Irak und in
Afghanistan kopiert. Dokumente, die belegen, dass diese Kriege weder
human noch ohne zivile Opfer sind. Sie decken Kriegsverbrechen auf,
darunter alleine 303 Fälle von Folter.
Publiziert wurden sie von WikiLeaks, einer von Julian Assange
gegründeten Whistleblowing-Plattform. Am bekanntesten ist das Video
"Collateral Murder", das die "Hinrichtung" mehrerer unbewaffneter
Menschen zeigt, unter anderem zweier Reuters-Redakteure. Anstatt die
Kriegsverbrechen aufzuklären, wurde Manning festgenommen und bis zu
ihrem Prozess unter Haftbedingungen eingesperrt, die deutliche Züge von
Folter haben: Einzelhaft ohne Sport, ohne Kopfkissen und teilweise ohne
Kleider.
Sie wurde schließlich zu 35 Jahren Haft verurteilt, die nach sieben
Jahren durch Präsident Obama kurz vor seinem Amtende ausgesetzt wurde.
Dennoch musste sie seit 2019 immer wieder ins Gefängnis. Durch
"Beugehaft" versuchen die USA belastende Aussagen gegen Assange zu
erzwingen -- Praktiken, die schon die Inquisition nutzte. Von
Menschenrechtsorganisationen wurde Chelsea Manning mit Preisen geehrt --
einen Einfluss auf die Politik hat das nicht.
Seit "Collateral Murder" jagen die USA auch Julian Assange. Er flieht
zunächst nach Schweden, dann 2012 in die ecuadorianische Botschaft in
London. 2019 wird ihm das Asyl entzogen und er wechselt aus dieser
quasi-Gefangenschaft in das Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh. Ein
Gericht beschäftigt sich nun damit, ob Assange an die USA ausgeliefert
wird. Solange gelten auch für ihn erschwerte Haftbedingungen mit
Einzelhaft und wenig Zugang zu Informationen.
"Seit dem Lockdown im März kommt seine Haft noch mehr einer
Isolationshaft gleich. Seine Anwälte und seine Familie haben keinen
richtigen Zugang zu ihm. Er konnte von März bis August nicht von seiner
Verlobten und seinen zwei kleinen Söhnen besucht werden. Manchmal
bekommt man das Gefühl, als wollten die zuständigen Behörden Assange
durch Krankheit und Tod loswerden. Diese Geschichte ist ein absoluter
Skandal und dass die Bundesregierung und ihre Sprecher sich hinter der
Aussage verstecken, das Vereinigte Königreich sei ein Rechtsstaat, zeugt
nicht gerade von Mut oder dem Willen zur Wahrheitsfindung" [6], schreibt Moritz Müller auf den Nachdenkseiten. Die schweizerische Zeitschrift Republik ergänzt:
"Das Gericht in London, das am 4. Januar 2021 sein Urteil verkünden
wird, hat bis heute nie öffentlich Stellung genommen, warum man Assange
überhaupt in Einzelhaft steckt; warum man ihn überhaupt wegsperrt; warum
er an den Gerichtsverhandlungen gefesselt hinter Panzerglas sitzen
muss, als wäre es Assange, der schwere Kriegsverbrechen begangen hat."
[8]
Positiv stimmt das alles nicht. Assange ist ein politischer
Gefangener und dürfte damit nicht ausgeliefert werden. Darauf weist z.B.
der UN-Sonderberichterstatter für Folter, Nils Melzer, hin. Er und
viele Menschenrechtsorganisationen fordern die sofortige Entlassung
Assanges. Doch in diesem politischen Prozess scheint das Recht keine
Rolle zu spielen.
Es gäbe natürlich die Möglichkeit, dass Präsident Trump ihn kurz vor
Amtende noch begnadigt. Nicht sehr befriedigend, denn begnadigt werden
kann nur, wer auch schuldig ist. Dennoch hat Melzer einen Brief
geschrieben und auch der Australier Georg Christensen eine Art Petition
gestartet, gerichtet an Donald Trump, der zwischen "I love Wikileaks"
und der Todesstrafe für Assange schwankt. [7, 10]
Ihr Name ist Chelsea Manning, sie hatte am 17. Dezember Geburtstag.
Fünf Tage später am 22. begnadigt Trump vier Söldner von Blackwater,
verurteilt wegen Mord und Totschlag an Zivilisten und Kindern. Der lange
Arm von Blackwater reicht weit in das Weiße Haus, weiter jedenfalls als
die Menschenrechte.
Die UN verurteilt dies und stellt klar, dass es gegen Völkerrecht
verstoße: Die USA hat sich in den Genfer Konventionen dazu verpflichtet,
Kriegsverbrechen aufzuklären und zu verfolgen.
"Dafür zu sorgen, dass solche Verbrechen rechenschaftspflichtig sind,
ist eine Grundlage für Menschlichkeit und in der Kommunikation der
Nationen. Begnadigungen und Amnestien oder jegliche Form der
Entschuldigung für Kriegsverbrechen sind eine offene Tür für zukünftigen
Missbrauch, wenn Staaten private Armeen oder Sicherheitsfirmen
einsetzen bei der Erfüllung staatlicher Aufgaben." (Jelena Aparac, UN)
Viel Resonanz hat dies in der Presse nicht gefunden. Es zeichnet sich
immer mehr ab, dass die USA im Ausland ungestraft die abscheulichsten
Verbrechen begehen kann und dass ihr Staaten wie Großbritannien und auch
Deutschland dabei beistehen. Diese Länder kann man mit Recht als
Schurkenstaaten bezeichnen.
Es ist Zeit, dass wir etwas ändern.
Mehr im Internet: [1] Wikipedia: Chelsea Manning [2] Geboren.am: Chelsea Manning [3] Collateral Murder [4] Wikipedia zu Collateral Murder [5] Wikipedia: Julian Assange
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