09.02.2021 - SOLARSTROM
Photovoltaik-Boom auf privaten Daechern
Solaranlagen entwickeln sich zu einer krisenfesten Investition
Klaus Oberzig
 | | Nach Jahren der Stagnation kommt der Zubau
von Solarstrom wieder in Fahrt - Bild: scienzz
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Nach jahrelanger Stagnation haben Investoren im
vergangenen Jahr rund 184.000 neue Solarstromanlagen in Deutschland errichtet.
Der Zuwachs an Photovoltaik betrug rund 4,9 Gigawatt. Gegenüber dem Vorjahr, als 3,8 GW zugebaut worden waren,
stieg die neu installierte Photovoltaikleistung um 27,6 Prozent. Das geht aus
den Daten der Bundesnetzagentur (BNetzA) hervor. Besonders stark sei die
Nachfrage bei Eigenheimbesitzern gewesen. Hier registrierten Branchenvertreter ein
Plus von 99 Prozent und damit nahezu eine Verdoppelung der Nachfrage. Solaranlagen
erwiesen sich damit als „beliebteste Energiewende-Technologie", interpretiert dies
der Branchenverband BSW. Und erklärt sich das primär mit einem gestiegenen
Umweltbewusstsein. Er räumt allerdings auch das Streben vieler Investoren nach
mehr Unabhängigkeit, die erheblich gesunkenen Solartechnikpreise und ein
zunehmendes Interesse an Elektromobilität ein.
Tatsächlich steht eine andere Triebkraft dahinter. Die Nullzinspolitik der Zentralbanken
macht traditionelle Sparmodelle uninteressant, lässt sie sogar bedrohlich
erscheinen. Die Aussicht bei Negativzinsen die eigenen Sparguthaben abschmelzen
zu sehen, führt zu einem Umdenken bei immer mehr Bürgern. Hinzu kommen Ängste
vor Inflation, einer Währungsreform und der Abschaffung des Bargeldes. Das hat
sich angesichts des Corona-Hype im Jahr 2020 erkennbar verstärkt. Auch Aktien
scheinen vielen solventen Bürgern nicht sicher genug. Im Vergleich zu diesen
Unsicherheitsfaktoren wirkt die Aussicht, in die Produktion von eigenem
Solarstrom einzusteigen, zunehmend attraktiv. Dies ist auch vor dem Hintergrund
zu sehen, dass die rasante Entwicklung von elektrischen Batteriespeichern die
Möglichkeit bietet, immer mehr vom selbst erzeugten Solarstrom im eigenen Haus oder
mit dem eigenen E-Auto verbrauchen zu können.
Die Bundesregierung hatte zwar versucht, dem durch neue Tarifmodelle im
novellierten EEG 2021 entgegen zu wirken und zudem die bürokratischen Hürden
noch einmal erhöht. Aber gegen die Ängste und Unsicherheiten der gegenwärtigen
wirtschaftlichen Situation verfehlte dies seine Wirkung. Ein ähnlicher Effekt war
auch in den Jahren nach der Krise von 2008 zum Tragen gekommen. Zur aktuellen
Lage bestehen allerdings deutliche Unterschiede. Während in den Jahren 2009 bis
2012 die Solaranlage auf dem eigenen Dach als clevere Geldanlage galt, verändert
sich heute die Motivation in Richtung Eigenstrom und Unabhängigkeit vom
bestehenden Stromsystem. Dieser Trend passt sehr wohl zu all den
Einschränkungen, welche das Corona-Jahr gebracht hat. Auch die Diskussion über
Autarkie in Energiefragen nimmt erkennbar an Fahrt auf. Die Diskussionen über
einen drohenden Blackout sind ein beredtes Anzeichen.
Auch wenn der Zubau an PV-Anlagen längst nicht die Werte der Jahre 2010 bis
2012 erreicht, als 7,44 GW, 7,91 GW und 8,16 GW verbaut wurden, spricht
BSW-Hauptgeschäftsführer Carsten Körnig von einem Boom. Das ist nicht nur
übertrieben, sondern überschätzt den eigenen Einfluss auf die Investoren. Es markiert
zugleich den engen Blickwinkel, in dem ein Großteil der Energiewendebewegung
verfangen ist. Von außen kommende Einflüsse aus der Finanzindustrie bzw. die sich
verschärfende Weltwirtschaftskrise werden kaum wahrgenommen oder ins Kalkül
gezogen. Mehr noch, dies wird traditionell verdrängt.
Die aktuellen Zahlen würden eine „überwältigende solartechnische Akzeptanz bei
privaten Verbrauchern und in der Wirtschaft belegen", legt Körnig nach. „Für eine Immunisierung gegen den Klimawandel
sind wir jedoch weiterhin zu langsam", meint er selbstkritisch. „Fünf Gigawatt im
Jahr sind zu wenig." Der Zubau an PV-Anlagen müsse in allen Marktsegmenten um
den Faktor zwei bis drei gesteigert werden, um „eine Klimaschutz- und Stromerzeugungslücke
zu vermeiden". Hier scheint sich der BSW im
argumentativen Gleichschritt mit der alten Energiewirtschaft zu bewegen. Kritiker
aus der Bürgerenergiebewegung fordern längst 100 Prozent Erneuerbare Energien
bis zum Jahr 2030.
Mehr im Internet:
Jahresbericht der Energiewirtschaft
Bundesverband Solarwirtschaft BSW
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