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05.03.2021 - GESELLSCHAFT
Die Wasser der Wahrheit steigen
Die alten Positionsbestimmungen von rechts und links sind ueberholt und nutzlos.
Christfried Lenz
 | | Arbeiterzug in der Neckarstraße in Stuttgart am
1. Mai 1900 - Bild: Philipp von Württemberg (Aus-
schnitt). Original uploader was Alfred
Adler at de.wikipedia., gemeinfrei.
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Am 27.02.2021 ließ die Volksstimme in Sachsen-Anhalt den Dramatiker
und Schauspieler Franz Xaver Kroetz (Münchner Boulevardjournalist "Baby
Schimmerlos" in der ARD-Serie "Kir Royal") zu Wort kommen.
Kroetz, der schon in der DDR Berühmtheit erlangt hatte, ist Mitglied der
Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) - was Bundespräsident Frank-Walter
Steinmeier nicht davon abhielt, ihm zu seinem kürzlich gefeierten 75.
Geburtstag zu gratulieren. Kroetz wiederum ließ sich durch die freundlichen
Worte des Bundespräsidenten nicht davon abhalten, das Corona-Geschehen
unverblümt zu kennzeichnen. Seine Worte regen zu einem tieferen Verständnis der
historischen Stunde, die gerade schlägt, an.
"Das Virus ist ein probates Mittel, um von oben noch mehr
nach unten zu treten.
Angst haben, zu Hause bleiben, eingesperrt sein, arbeitslos sein, perspektivlos
sein,
mit niemandem reden, jedem misstrauen, isoliert sein, uninformiert sein,
das ist doch die ideale Steilvorlage zur Zerstörung der Demokratie.
Jeder, der sich dagegen wehrt, hat meine Sympathie.
Da die Corona-Hysterie, in die wir getrieben werden von der Politik, den Medien
und den 'Fachleuten',
aus uns ängstliche, zitternde Wichtelchen machen will,
finde ich jeden Wutbürger gut, egal von welcher Seite und Farbe, solange er
nicht 'Heil Hitler' kräht.
Ich bin in großer Sorge, dass man unter dem Deckmantel des Schutzes der
Bevölkerung diese irreparabel schädigt.
Und mit der Bevölkerung auch die Demokratie.
Es ist ein Herrschaftsmechanismus entstanden, der uns bis in die Sprache hinein
wie einen Haufen unbotmäßiger Kinder behandelt.
Wie kriegt man das wieder raus wenn Corona überwunden ist?
Und was zieht man dann aus dem Zylinder?
Dass der Tod aus den westlichen reichen Gesellschaften verdrängt wird, ja,
unsichtbar geworden ist,
macht uns zu unglücklichen Zombies, die Gott, die die Erde und das ewige Werden
und Vergehen missachten.
Hundertjährige werden geimpft; und damit sie nicht krank werden und vielleicht
sterben,
wird das Recht der Jugend auf Lernen, Bildung, Sport, Freizeit, Spaß,
Vergnügen, Entwicklung und Gesundheit bedenkenlos gekippt."
Erstaunlich, solche Worte aus dem
politisch linken Spektrum zu hören! Üblich geworden ist dort ja eine Hörigkeit
und ein Vertrauen in den kapitalistischen Staat, dass einem die Ohren nur so
schlackern. Man fragt sich: Wer diesem Staat derart vertraut und glaubt, dass
es bei den Corona-Maßnahmen um die Gesundheit und nichts anderes geht, der muss
auf der anderen Seite dem, der feststellte „die bürgerliche Regierung ist der Geschäftsführende
Ausschuss der Bourgeoisie" doch tief misstrauen. Vielleicht ist die allgemeine
Verwirrung aber auch schon so weit fortgeschritten, dass man dem bürgerlichen
Staat vertraut und sich gleichzeitig auf Marx beruft -
heute ist mit allem zu rechnen.
Denn wir haben es mit Auflösungserscheinungen zu tun. Die Kategorien „links"
und „rechts" befinden sich in Auflösung oder haben sich schon aufgelöst. Das
hat Ursachen in der Ökonomie. Im 19. und 20. Jahrhundert befand sich der
Kapitalismus auf der nationalen Ebene. Der Widerspruch zwischen
Kapitalistenklasse und Arbeiterklasse war der Hauptwiderspruch, der die
Verhältnisse innerhalb der Nationalstaaten prägte. Die politischen Kräfte, die
die Interessen der Arbeiterklasse vertraten, setzten sich im Parlament auf die
linke Seite, die Vertreter des Kapitals auf die rechte.
Indem die Arbeiterbewegung im Zusammenbruch der Sowjetunion ihre ultimative
Niederlage erlitt, schwanden die Schranken, die die Expansion des Kapitals
zuvor begrenzt hatten. Vom nationalen Rahmen erhob es sich auf die globale
Ebene. Was Marx bereits im 19. Jahrhundert erkannte, dass das Kapital nicht nur
den Arbeiter, sondern auch den fruchtbaren Boden ausbeutet und zugrunde
richtet, auch dies ist nun global geworden. Es geht nicht mehr bloß um den
Ackerboden. Die kompletten natürlichen Lebensgrundlagen des Planeten werden
durch das kapitalistische raubbaumäßige Wirtschaften ruiniert. Dadurch hat sich
der Hauptwiderspruch verlagert. Er besteht nicht mehr zwischen Kapital und
Arbeiterklasse im Nationalstaat, sondern zwischen dem globalisierten Kapital
und der ganzen Menschheit.
Die Kräfte, die sich in der Vergangenheit gemäß den im Klassenkampf zwischen
Proletariat und Bourgeoisie geltenden Kategorien als links definierten, sind
jetzt orientierungslos. Menschen, die im Gegensatz zu ihnen die verlogene
Staatspolitik durchschauen und entschieden gegen sie vorgehen, können sie nur
als „rechts" einstufen. Wenn sie selber „links" sind, können solche, die von
ihnen abweichen, nur „rechts" sein, eine andere Kategorie kennen sie nicht.
Da ist es eine wahre Labsal, wie Franz Xaver Kroetz den Gordischen Knoten aus
veralteten Lehrmeinungen zerschlägt: „Da die Corona-Hysterie, in die wir
getrieben werden von der Politik, den Medien und den 'Fachleuten', aus uns
ängstliche, zitternde Wichtelchen machen will, finde ich jeden Wutbürger gut,
egal von welcher Seite und Farbe, solange er nicht 'Heil Hitler' kräht."
Es ist auch nicht so, dass die veralteten nun etwa durch neue Kategorien
ersetzt werden. An die Stelle jedweder Kategorien tritt die Einheit des
Menschseins. Mit dem Ruf der frühen Querdenken-Demonstrationen „Freiheit -
Friede - Wahrheit - Liebe" wurde eine Seite aufgeschlagen, die es im Buch
politischer Bewegungen bis dato nicht gegeben hatte. Weitere Motive, die bisher
nur aus religiösen Kontexten bekannt waren, fanden Eingang in Diskurs und
Aktion Hunderttausender.
So unter anderem das Verhältnis zum Tod. Kroetz: „Dass der Tod aus den
westlichen reichen Gesellschaften verdrängt wird, ja, unsichtbar geworden ist,
macht uns zu unglücklichen Zombies, die Gott, die Erde und das ewige Werden
und Vergehen missachten.
Hundertjährige werden geimpft; und damit sie nicht krank werden und vielleicht
sterben,
wird das Recht der Jugend auf Lernen, Bildung, Sport, Freizeit, Spaß,
Vergnügen, Entwicklung und Gesundheit bedenkenlos gekippt."
Die Tabuisierung des Todes wird durch die Corona-Maßnahmen auf die Spitze
getrieben - gleichzeitig damit aber auch so grell beleuchtet, dass sie
sichtbarer wird denn je. Es wird somit
die Frage nahe gelegt, ob Alter und Tod wirklich die Katastrophe sind, als
welche sie im Kontext von Corona behandelt werden. Kroetz macht deutlich, dass
es sich um eine Herabwürdigung, ja Missachtung handelt, wenn vom Alter gezeichnete
und dem Tod nahe Menschen als „Kranke" hingestellt werden, die „geheilt" werden
müssen - wovon die Kehrseite dann auch noch darin besteht, dass die Jugend, die
mitten im Leben steht, daran gehindert wird, dieses in vollen Zügen zu trinken.
Neurobiologe und Hirnforscher Gerald Hüther („Wege aus der Angst") am 3. März
im WDR: „Das ist eigentlich unbegreifbar, wie es eine Erwachsenengeneration
fertigbringt, den Kindern solche Auflagen vorzugeben, die die Kinder nur
erfüllen können, indem sie ihre eigene Lebendigkeit, ihre lebendigen
Bedürfnisse unterdrücken. - Kinder müssen doch spielen, Kinder müssen doch
kuscheln, die müssen doch mit anderen zusammen sein, was ist denn das für ein
Leben, wenn sie das alles nicht mehr können?" Im Hirn würden sich dadurch
Veränderungen bilden, die bleibend sein könnten. Das zeige sich jetzt schon.
Die Kinderärzte und Jugendpsychiater würden Alarm schlagen. (Zitiert nach
AltmarkZeitung vom 04.03.2021).
Wir haben es an dieser Stelle mit der Negation von Lebensfreude überhaupt zu
tun, in die die „frohe Botschaft" Jesu von den Kirchen seit 2000 Jahren
verkehrt wird. Auch dies wird durch die Corona-Maßnahmen auf die Spitze
getrieben und dadurch schärfer wahrnehmbar. Uralte innere Beschädigungen, die
die Entfaltung unseres Potentials verhindern, können so ins Bewusstsein
gelangen und sich auflösen. Auf diese Dialektik von Corona-Maßnahmen stößt man
allenthalben.
Und ohne dass diese uralten Beschädigungen aufgearbeitet werden, kann niemals
eine „neue" Gesellschaft entstehen.
Übrigens hatte auch die Arbeiterbewegung in ihren besten Zeiten ein Bewusstsein
hervorgebracht, das sonst nur in der Privatheit von Religiosität gelebt wurde.
„Schlechtes Leben mehr zu fürchten als den Tod...." oder „Es rettet uns
kein höh'res Wesen, kein Gott, kein Kaiser, kein Tribun. Uns aus dem Elend zu
erlösen, können wir nur selber tun."
- Das sind Wahrheiten, die die Phase des Klassenkampfes überdauern, ja,
gerade jetzt, wo es für die Menschheit ums Überleben geht, ihren Gehalt voll
entfalten.
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