|
29.03.2021 - DEMOKRATIE
The Way Out
Demokratie steht drauf, Kapitalokratie ist drin
Christfried Lenz
 | | Doll auf pixabay.com
| | |
Es heißt: Wir leben in
einer Demokratie. Oder: Demokratische Rechte wurden eingeschränkt, sie
müssen im vollen Umfang wieder hergestellt werden. Doch was ist „Demokratie"
eigentlich? Wirklich „Herrschaft des Volkes", war sie das jemals, kann sie das
überhaupt sein? Wir dürfen Vertreter in die Parlamente wählen. Seit den späten
1960er Jahren konnte sich das Volk sogar das Recht nehmen, außerparlamentarisch
gegen Missstände vorzugehen, die in den Institutionen nicht bearbeitet wurden.
Neben den Bewegungen gegen Kapitalismus, Imperialismus und Krieg wurden viele
Menschen gegen Umweltzerstörung und später gegen den Klimawandel aktiv. Die
Anti-AKW-Bewegung mit ihrem Motto „Atomkraft nein danke" erreichte die breite
Öffentlichkeit. Zusätzlich zu den außerparlamentarischen Aktionen wurde auch
der „Marsch durch die Institutionen" angetreten. 1980 gründete sich die Grüne
Partei und zog 1983 in den Bundestag ein.
Doch was ist die Bilanz? Es gab punktuelle Erfolge. Die Verhinderung des im
Wyhler Wald am Kaiserstuhl nahe Freiburg geplanten Kernkraftwerks war 1977 das
Highlight. Weitere Kämpfe scheiterten: der gegen das KKW Brokdorf, ebenso die
Großbewegung gegen die Startbahn West des Frankfurter Flughafens oder die gegen
„Stuttgart 21".
Hier und da gelingt es Bürgerinitiativen, eine Bohrung nach Gas oder Öl
abzuwenden. Der Aufwand an Arbeit, Zeit und Geld, den sie hierfür treiben
müssen, ist allerdings überdimensional und kann den Bohrlochbergbau insgesamt
mit seiner Schädigung von Grundwasser, Boden und Luft im dicht besiedelten
Deutschland nicht stoppen.
Beim Blick auf die Weltlage ist (beispielhaft) festzustellen:
-
Die Klimaerwärmung schreitet voran
-
Energiekonzerne freuen sich, dass das
Nordpolarmeer eisfrei wird und die Erdgasförderung ermöglicht
-
Fast 30 Millionen Hektar Wald (ca. die Fläche
von Großbritannien plus Irland) werden jährlich abgeholzt
-
Durch Trockenheit und Hitze begünstigte Brände
kommen hinzu
-
Täglich sterben 150 Tier- und Pflanzenarten aus
-
In den Ozeanen schwimmen Inseln aus Plastikmüll
in Erdteilgröße
Und das alles soll Ergebnis von „Volksherrschaft" sein? -
Ist das Volk masochistisch?
Nein. Richtig ist: die Herrschaft geht nicht vom Volk aus, sondern von den
Kapitaleignern. Diese interessieren sich für den Profit, nicht für die Schäden,
die dabei angerichtet werden. Doch sie haben die Finanzwirtschaft und die
Produktion in der Hand, sie lassen die materiellen Grundlagen der Gesellschaft
herstellen. Sie sind die Macher und daher die Machthaber. Sie beherrschen das
Volk, lassen es für sich arbeiten, lenken es so, wie es ihren Interessen
entspricht, denn es ist von ihnen abhängig.
Dies kann natürlich nicht offengelegt werden. Niemals kann eine herrschende
Gruppe oder Klasse ihren Untergebenen sagen: „Leute, wir beherrschen euch. Wir
sind nicht daran interessiert, dass es euch gut geht, sondern daran, dass wir
euch gut ausbeuten können." Vielmehr muss die Beherrschung den Beherrschten so
dargestellt werden, als sei sie für diese selber gut. Die Feudalherren im
Mittelalter konnten sich das relativ leicht machen. Sie erklärten ihre
Herrschaft für gottgewollt, und was Gott will, kann nicht schlecht sein.
Nachdem die „Aufklärung" angeschoben worden war, mussten die Kapitalisten als
neue Herrscherklasse es raffinierter angehen. Es kam zum Parlamentarismus.
„Parlament" kommt bekanntlich von „parlare" = reden, sprechen. Im Grund ist
damit schon alles gesagt: „Gemacht" wird in den, den Kapitalisten gehörenden
Fabriken, im Parlament wird „geredet". Damit das Konstrukt als „Demokratie"
verkauft werden kann, darf das Volk (und anfangs auch nur dessen Männeranteil)
die Redner wählen - wohlgemerkt: die Redner, nicht etwa die „Macher"!
Ein gewisser minimaler Einfluss auf die Realität muss dem Parlament dennoch
zugestanden werden, da andernfalls das Spiel zu leicht zu durchschauen wäre. So
wurden Gesetze verabschiedet, die die Lage der Arbeiter verbesserten. Die
Arbeiterbewegung verbuchte es als Erfolg ihres jahrzehntelangen Ringens. Aus
einer übergeordneten Perspektive dienten diese Gesetze jedoch dem
längerfristigen Fortbestand der kapitalistischen Ausbeutung - entsprechend der
Erkenntnis: „Die Kuh, die man melken will, darf man nicht verhungern lassen."
Im Volk stabilisierte sich dadurch aber der Glaube an den „reformistischen
Weg": Verbesserungen innerhalb des Kapitalismus seien möglich. Im Weltmaßstab
war und ist das nicht der Fall.
Angeregt durch die Revolution in Russland erstarkten jedoch auch in Deutschland
revolutionäre Tendenzen und schlugen sich in Wahlergebnissen nieder. In diesem
Moment wurde der Fassadencharakter der parlamentarischen Demokratie offenbar
und wer in Wirklichkeit die Strippen zieht: Durch massive finanzielle
Unterstützung sorgte die Bourgeoisie dafür, dass die nationalsozialistische
Bewegung unter Adolf Hitler erstarkte und die „Demokratie" durch die
faschistische Diktatur ersetzte.
Nach deren Fiasko am Ende des 2. Weltkriegs prägten gute Vorsätze nach dem
Motto „So etwas darf nie wieder geschehen" die Neuauflage der „Demokratie".
Durch moralische Appelle, wie „Eigentum verpflichtet", glaubte man, das Kapital
auf einen am Gemeinwohl orientierten Kurs bringen zu können. Eine Weile schien
das auch zu funktionieren, doch was können Worte und beschriebenes Papier auf
Dauer gegen diejenigen ausrichten, die die materiellen Machtmittel in der Hand
haben?!
So konnte die Umweltbewegung die nötige grundlegende Kursänderung der
kompletten Wirtschaftstätigkeit in Richtung auf Naturverträglichkeit nicht
herbeiführen. Und dass der Umweltschutz 1994 ins Grundgesetz kam, änderte an
der Praxis nichts.
Anders ist die Situation in puncto Klimaschutz. Das Thema
„Klimawandel" erwischt die Energiekonzerne nämlich in jeder Hinsicht auf dem
falschen Fuß. Zunächst versuchten sie, ihn weg zu lügen. Als das nicht mehr
ging, wollten sie ihn per CCS in den Untergrund verdrängen. Bill Gates setzt auf Atomkraft-Revival und „Geoengineering", will die durch zu
viel Technik angerichteten Schäden durch noch mehr Technik beseitigen. - Und bei der Einschätzung des einzigen
realistischen Mittels gegen die Klimaerwärmung, den Erneuerbaren Energien,
haben sich die Konzerne extrem verkalkuliert. Nicht einmal 5% am Strommix
trauten sie ihnen vor 20 Jahren maximal zu. Heute liegt der Anteil bei über
50%.
Dass die Konzerne das Potenzial der Erneuerbaren Energien nicht wahrhaben
wollten, kommt nicht von ungefähr. Diese sind für sie nämlich kein
Geschäftsfeld. Konzerne brauchen große, zentralistische Strukturen. Die
Erneuerbaren - und insbesondere die Photovoltaik - sind ihrem ganzen Wesen nach
jedoch kleinteilig und dezentral. Das ist die natürliche Domäne des
Mittelstandes bis hinunter zum Einzelbürger.
Die Politik wurde daher zur Ausbremsung der Erneuerbaren veranlasst.
Bereitwillig lieferten die Fachleute für Gesetzesformulierung ein Gestrüpp aus
bürokratischen Fallstricken und Fußangeln, welches Investitionswillige, die
nicht auch noch einen Fachanwalt bezahlen konnten, abschreckte. Zum Schaden von
uns allen wurde die Energiewende dadurch erheblich verzögert. Seit die
Eigenversorgung billiger ist als der Stromkauf und mit Hilfe von Speichern eine
völlige Befreiung vom Konzernsystem leicht möglich ist, bekommt die
Photovoltaik wieder mehr Schwung.
Das folgenschwere Fazit aus all dem lautet: Die konventionellen Energiekonzerne sind von ihrer Struktur her nicht in
der Lage, Klimaschutz zu betreiben! Die bisherigen „Macher" sind
nicht in der Lage, das zu machen, was Voraussetzung für Fortbestand und
Entwicklung der menschlichen Zivilisation ist. Breite Teile der Bevölkerung sind dazu aber sehr wohl in der Lage. Mit
dieser Verschiebung der Fähigkeit des Machens beginnt eine epochale
Verschiebung der Macht.
Die Dezentralisierung der grundlegenden Branche, der Energieerzeugung,
wird eine Tendenz zur Dezentralisierung auch in anderen Wirtschaftszweigen nach
sich ziehen. Alles wird kleinteiliger und dadurch auch individueller, kommt
näher zum Menschen - im Gegensatz zur Massenproduktion und der mit ihr
notwendig verbundenen Gleichmacherei.
In der Weimarer Republik war es die drohende proletarische Revolution, die die
Bourgeoisie zum Faschismus greifen ließ. - Bangt das inzwischen global
konzentrierte Kapital angesichts einer sich durch Nutzung der neuen Energien
Macht aneignenden Bevölkerung erneut um seine Zukunft? Versucht es der Selbstermächtigung und
Emanzipation entgegen zu wirken, indem es Angst vor einem angeblichen
„Killervirus" verbreitet, welches die Sterbestatistik allerdings in keiner
Weise beeinflusst?
Ein und dasselbe Mittel wirkt sowohl gegen den Klimawandel als auch gegen die
Angst vor dem „Killervirus": die vollständige Versorgung durch Erneuerbare
Energien, autonom gestaltet von sich emanzipierenden Menschen.
|
|