Die Bundesregierung bereitet Enthauptungsschlag gegen Solarindustrie vor, Energiekonzerne frohlocken. > mehr
„In
einer Verwirrung und Ratlosigkeit ohnegleichen stehen heute die
Deutschen am Grabe ihrer Vergangenheit“, schrieb der Historiker Gerhard
Ritter 1946 in einem Büchlein unter dem Titel „Geschichte als
Bildungsmacht“. Darin lag ein Stück weit auch Selbstkritik. Ritter hatte
die Weimarer Republik aus deutsch-nationaler Perspektive heftig
kritisiert und stand nun vor der Frage, inwieweit er die Entwicklung hin
zum Dritten Reich und zum Zweiten Weltkrieg mit dem Ende des deutschen
Nationalstaates womöglich mit zu verantworten hatte.
Man könnte erwarten, das konservativ-nationalistische Denken vieler
Historiker hätte sich nach dem Zweiten Weltkrieg bruchlos fortgesetzt.
Genau das geschah nicht, zeigt eine Historikern der HU Berlin in ihrer
neuen Studie. Viele Historiker machten sich nun durchaus ernsthaft an
die Aufgabe, die ihnen der Doyen der deutschen Geschichtswissenschaft,
Friedrich Meinecke, aufgab: „Unser herkömmliches Geschichtsbild bedarf
jetzt allerdings einer gründlichen Revision, um die Werte und Unwerte
unserer Geschichte klar voneinander zu unterscheiden.“ > mehr
„Wir
sind das Volk. Wir sind ein Volk“, soll auf dem „Freiheits- und
Einheitsdenkmal“ stehen, das für den Platz vor dem Berliner Schloss
geplant ist. Der erste dieser beiden Sätze griff 1989 eine alte Parole
revolutionärer Bewegungen auf - „Wir“ als die große Mehrheit des Volkes
gegen despotisch herrschende kleine Gruppen. Der zweite proklamierte in
den Monaten danach eine Einheit von zwei Bevölkerungen, die damals
staatlich getrennt waren, in einer einzigen Nation – „Deutschland einig
Vaterland“, wie es in der Nationalhymne der DDR hieß, die aus ebendiesem
Grund seit Jahrzehnten nur noch ohne Text gespielt werden durfte. Was
ist das eigentlich, dieses „Wir“?, fragt der Philosoph Tristan Garcia
von der Universität Lyon in seinem neuen Essay „Nous“, der jetzt in
deutscher Übersetzung erschienen ist. Immer geht es darum, dass sich ein
Individuum mit manchen Anderen enger zusammengehörig fühlt, als mit
Dritten. „Wir“ zu sagen, bedeutet, dass man eine Grenze zieht. > mehr
Große
Kulturen, schrieb Mitte des vorigen Jahrhunderts der britische
Historiker Arnold Toynbee in seiner monumentalen Studie über den „Gang
der Weltgeschichte“, entstehen, indem Gesellschaften durch ihre Umwelt
vor große Herausforderungen gestellt werden und schöpferische Lösungen
entwickeln. Die Weltgeschichte als ein Spiel von „challenges“ und
„responses“, manchmal erfolgreich, oft auch weniger erfolgreich. In dem
Buch des österreichischen Historikers Philipp Blom über die Entstehung
unserer modernen Welt kommt der Name Toynbee nicht vor. Aber
unverkennbar greift Blom auf das Denkschema von challenge und response
zurück: War der Aufschwung Europas seit dem 16. Jahrhundert, der die
gesamte Welt so nachhaltig verwandelt hat, vielleicht eine Antwort auf
jene Herausforderung, die Klimahistoriker heute als die „Kleine Eiszeit“
bezeichnen? > mehr
Der
Vater, erinnerte sich Goethe viele Jahrzehnte später in „Dichtung und
Wahrheit“, „hatte ein schönes, rotlackiertes, goldgeblümtes Musikpult,
in Gestalt einer vierseitigen Pyramide mit verschiedenen Abstufungen,
das man zu Quartetten sehr bequem fand“. Offenbar ein Möbel im
„chinesischen“ Stil, wie er zu Goethes Jugendzeit in Europa groß in Mode
war. Dazu trug vor allem der schottische Architekt William Chambers
bei, der im Auftrag der schwedischen Ostindien-Kompanie China bereist
hatte und nach seiner Rückkehr mehrere Bücher über Architektur und
Kunstgewerbe der Chinesen herausbrachte – und über seine eigenen Bauten,
in denen das China seiner Eindrücke zu einer Traumwelt aus Pagoden und
Porzellan, Seide und Lack verarbeitet war. „Europas chinesische Träume“,
ist das Buch über die „Erfindung Chinas“ überschrieben, das jetzt aus
dem Nachlass des 2017 verstorbenen Kunsthistorikers Aachener
Kunsthistorikers Hans Holländer erschienen ist. > mehr
„Noch
stäuben die Wege, noch ist der Fremde geprellt, stell‘ er sich auch,
wie er will. Deutsche Rechtlichkeit suchst du in allen Winkeln
vergebens.“ Es waren recht unfreundliche Worte, die Goethe bei seiner
zweiten Italienreise 1790 über Land und Leute fand. Wenige Jahre zuvor,
bei seiner ersten Reise, war er noch begeistert gewesen. Kunst und
Geschichte faszinierten ihn, auch der italienischen Lebensart konnte er
manches abgewinnen. Doch beim Versuch einer Wiederholung gelang es ihm
nicht mehr, die unerwünschten Seiten der Alltagsrealität auszublenden.
„Übrigens muss ich im Vertrauen gestehen, dass meiner Liebe zu Italien
durch diese Reise ein tödlicher Stoß versetzt wird“, schrieb er an
Herzog Carl August. Mancherlei schmähende Ausfälle gegen Italien und die
Italiener finden sich eben auch bei jenen, die ansonsten als Lobredner
des Landes, „wo die Zitronen blühn“, in die Kulturgeschichte eingegangen
sind. > mehr
„Sie
wollen Wirtschaftsethik studieren?“, lautet ein Satz, der dem
österreichischen Satiriker Karl Kraus zugeschrieben wird: „Entscheiden
sie sich für das eine oder das andere!“ Die Ökonomie, wollte Kraus
sagen, steht ein für allemal unter der Maxime der Gewinnmaximierung, des
Egoismus. Wer versucht, sich in seinem wirtschaftlichen Verhalten nach
ethischen, potentiell also auch altruistischen, Normen zu richten, muss
untergehen. Anscheinend erleben wirtschaftsethische Fragestellung gerade
in den letzten Jahrzehnten, zeitlich parallel zum sogenannten
„Neoliberalismus“, sogar einen regelrechten Boom. Heute können Studenten
das Fach „Wirtschaftsethik“ im deutschen Sprachraum an mehr als einem
Dutzend Hochschulen belegen. Der Basler Philosoph Andreas Brenner
zitiert in seinem neu erschienenen „Lehr- und Lesebuch“ zur
Wirtschaftsethik seinen amerikanischen Kollegen Richard Edward Freeman,
der Kraus‘ zynisches Bonmot umkehrte: „Es macht keinen Sinn, über
Business zu reden, ohne über Ethik zu reden.“ > mehr
„Bonn
ist nicht Weimar“, lautete ein geflügeltes Wort über die junge
Bundesrepublik Deutschland. Der Schweizer Journalist Fritz René Allemann
prägte es 1956 in einem Buch, in dem er die Unterschiede zwischen den
deutschen Demokratien der 1920er und der 1950er Jahre analysierte.
Wenige Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, so Allemanns
beruhigende Feststellung, hatten die weltanschaulichen Gegensätze, die
den Parteienkampf in der Weimarer Republik prägten, bereits viel von
ihrer unversöhnlichen Schroffheit verloren. Allemanns Aussage war die
Kehrseite der großen Angst, die über der Bundesrepublik schwebte: Konnte
diese zweite deutsche Demokratie nicht ebenso scheitern, wie die erste
gescheitert war? Als 1948 der Parlamentarische Rat zusammentrat, um ein
Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland zu erarbeiten, war es ein
Grundmotiv der Beratungen, dass die „Fehler“ der Weimarer
Reichsverfassung (WRV) von 1919 auf keinen Fall wiederholt werden
dürften. > mehr
„Und
allen edlen Menschen Friede und Freud auf ihrer Bahn! Ich segne sie in
meinem Liede, soviel ich segnen kann.“ Einen besonders ungewöhnlichen
Wunsch hat sich Matthias Claudius da zu Neujahr 1777 nicht einfallen
lassen. Die Verse variieren bloß aus Martin Luthers Bibelübersetzung den
Weihnachtsgesang der Engel an die Hirten. In der folgenden Strophe gibt
der Sprecher, der „alte lahme Invalide Görgel“, seinem Neujahrswunsch
jedoch eine recht makabre Note: „Und fühl in diesem Augenblicke den
lahmen Schenkel nicht und steh und schwinge meine Krücke und glühe im
Gesicht.“ „Man fängt das Neue Jahr mit Wunsch und Gaben an“, dichtete
1637 Andreas Gryphius. Eine Federzeichnung von Johann Michael Voltz
zeigt, wie der Neujahrsmorgen in besseren Kreisen um 1800 ablief. Um
einen gesetzten, würdigen Herren, der offenbar gerade bei der Rasur ist,
versammeln sich die Gratulanten, vom Prediger bis zu den Musikanten der
Stadtgarde, und selbstverständlich muss ihnen ein Trinkgeld aus der
bereitgehaltenen Börse gegeben werden. Im Hintergrund sieht man, wie
sich weitere Gratulanten durch die geöffnete Tür drängen wollen. > mehr
Als
am Abend des 8. Dezember 1980 der 25-jährige Mark David Chapman den
Ex-Beatle-Sänger John Lennon erschoss, trug er ein Büchlein bei sich,
eine Ausgabe des Romans „Der Fänger im Roggen“ von Jerome David
Salinger. Im Prozess sagte Chapman später, er habe in diesem Buch die
„Aufforderung“ gesehen, eine berühmte Persönlichkeit zu töten, um selbst
berühmt zu werden. Als sein Schlusswort verlas er eine Passage aus dem
Roman: „Aber jedenfalls stelle ich mir immer kleine Kinder vor, die in
einem Roggenfeld ein Spiel machen. Tausende von kleinen Kindern, und
keiner wäre in der Nähe – kein Erwachsener, meine ich – außer mir. Und
ich würde am Rand einer verrückten Klippe stehen. Ich müsste alle
festhalten, die über die Klippe hinauslaufen wollten – ich meine, wenn
sie nicht achtgeben, wohin sie rennen, müsste ich vorspringen und sie
fangen. Das wäre einfach der Fänger im Roggen.“ Das Unterfangen,
Chapmans Leseerfahrung rational rekonstruieren zu wollen, dürfte
aussichtslos sein; vielleicht hatten die Ärzte ja Recht, die ihm eine
paranoide Psychose bescheinigten. Wie unter solchen Bedingungen
Literatur rezipiert, der Intention nach wohl auch in Praxis umgesetzt
wird, lässt sich kaum erahnen. Und wenn es dann noch eine Literatur ist,
die auch von den „Normalen“ der Generation als das Kultbuch schlechthin
verehrt wird … > mehr
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